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LANCASTER COUNTY SCHULE
Die bedeutendste der Longrifle-Schulen

Historisches

Im 18. Jahrhundert wurde Lancaster/PA das wichtigste Büchsenmacher-Zentrum Amerikas. Die Stadt Lancaster liegt in Lancaster County, rund 60 Meilen nördlich von Philadelphia. Die Stadt entwickelte sich schnell zu einem bedeutendem Zentrum des Handels mit Indianern, in Folge ließen sich schon früh Waffenschmiede in Lancaster nieder: Martin Meylin eröffnete seine Werkstadt 1719, Robert Baker erhielt im gleichen Jahr die erlaubnis zum Bau eines Dammes, um eine Mühle zum Bohren von Läufen antreiben zu können.

Zunächst bestand die Hauptaufgabe der lokalen Waffenschmiede darin, beschädigte Gewehre zu reparieren oder gelegentlich aus einzelnen intakten Komponenten mehrerer zerstörter Gewehre eine neue Waffe herzustellen. Auch wurden Tradeguns nach europäischem Vorbild und aus europäischen Teilen gefertigt und für den Fellhandel bereitgestellt. Deutsche Büchsenmacher beschafften gezogene Läufe und so kam es, das bei Ausbruch des Krieges um die Vorherrschaft in Nordamerika zwischen Briten und Franzosen (French and Indian War) viele Indianer bereits Büchsen ausgestattet waren, die wohl aus Lancaster stammten.

Die Büchsenmacher in Lancaster kamen aus allen Teilen Europas, vornehmlich aber aus Deutschland und England. Viele hatten ihr Handwerk noch in Europa erlernt. In den 60er Jahren des 18. Jahrhunderts entstand hier ein einzigartiger Typ der Longrifle, der fortan als Lancaster Count Schule bekannt wurde. Bereits 1770 gilt die Schule als voll entwickelt, d.h. die charakteristischen Merkmale wie die fast 5cm breite geradlinige Schaftkappe und der weitgehend geradlinige Umriss werden von allen lokalen Büchsenmachern umgesetzt.

Im 19. Jahrhundert werden die Lancaster-Büchsen schlanker, ab ca. 1810 verzichtet man zunehmend auf Schaftverschneidungen, verwendet aber bei nobleren Büchsen zunehmend Verzierungen aus Messing, Nickelsilber oder Silber. Der letzte Vertreter der Lancaster Schule ist Henry E. Leman. Dieser extrem geschäftstüchtige Büchsenmacher lässt seine Trade Rifles in der eigenen Fabrik in großen Stückzahlen herstellen, die Basis-Architektur der typischen Lancaster-Büchsen bleibt bei diesen Serienwaffen aber unverändert erhalten. Henry Leman führt sein Geschäft bis zu seinem Tod im 75. Lebensjahr, im Jahr 1887. Dieser Zeitpunkt markiert auch das Ende der historischen Lancaster Büchse.

Architektur und Merkmale

Lancaster-Büchsen sind leicht an ihrem geradlinigen Umriss zu erkennen, der ihnen ein vergleichsweise modernes Erscheinungbild gibt. Die Annahme, dass diese Formgebung ebenso wie die breite Schaftkappe gewählt wurden, um den mit den zuvor mit Trade-Muskets belieferten Indianern als den bedeutendsten Kunden der Handelsstadt Lancaster ein weitgehend vertrautes Äußeres der Waffen anbieten zu können, gilt als wahrscheinlich.

Nachdem sich die Lancaster Schule sehr früh entwickelt hatte, findet man bei älteren Exemplaren auch typische Merkmale deutscher Jägerbüchsen, wie zum Beispiel den hölzernen Gleitdeckel auf der Patchbox. Exemplare aus der Zeit des Unabhängigkeits-Krieges wurden meist bereits mit vollen vierteiligen Patchboxes aus Messing oder Silber gefertigt die oft kunstvoll graviert sind. Ab ca. 1770 dürfte auch das Gänseblümchen-Motiv an der Frontplatte der Box entstanden sein, welches sich zu einer Art Markenzeichen der Lancaster Schule entwickelte. Eine ausgekügelte Mechanik erlaubt das Öffnen der Box mit Hilfe eines Knopfs meist an der Oberseite des Schafts, gelegentlich auch an der Unterseite. In den 1820er Jahren werden meist ungeschmückte, geradlinige Patchboxes verwendet, immer noch vierteilig, wobei die Seitenteile aber nur mehr dünne Rahmen bilden, die zum Deckel hin durchbrochen sind.

Die Läufe sind meist achtkantig und geschweift - das heißt ihr Außendurchmesser ist zur besseren Ausgewogenheit im vorderen Drittel geringer als am hinteren Ende und, nicht ganz so deutlich, direkt an der Mündung. Abgesehen von den technischen Vorteilen verleihen geschweifte Läufe den Gewehren eine besonders ästhetische Form. Die Längen variieren zwischen 38" und 48". Sowohl gezogene als auch glatte Läufe (Smooth Rifles) werden angeboten. Anfänglich wird der Schaft ausschließlich mit Stahlstiften am Lauf fixiert, spätestens ab Beginn des 19. Jahrhunderts findet man auch Laufkeile.

Der Stecher-Abzug fand in Amerika nie jene Verbreitung, welche er in Deutschland hatte. Die meisten Schützen bevorzugten den einfachen, weniger fehleranfälligen Abzug. Allerdings finden sich bereits ab ca, 1770 einzelne Lancaster Büchsen, die mit einem Stecher ausgestattet sind.

Frühe Lancaster-Büchsen zeigen noch Schaftverschneidungen im symmetrischen Backock-Stil, Bald jedoch wird dieser durch die assymetrischen Formen des American Rococo vollständig verdrängt. Besonders die Arbeiten des Büchsenmachers Isaac Haines gelten in diesem Zusammenhang als richtungsweisend. Die für Büchsen typische Backe verjüngt sich nach vorn und verhinderts so, dass der Schütze durch den Rückstoß eine Ohrfeige erhält.

Der lange, meist aus Messing gegossene Abzugsrahmen wurde mit 2 Stahlstiften am Schaft fixiert, die ebenfalls häufig aus Messing gegossenen 3-4 Ladestock-Halterungen mit meist jeweils einem Stahlstift. Die Mündungskappe ist mit Messingnieten am Schaft befestigt, diese werden so fein verschliffen dass sie praktisch unsichtbar sind.

Büchsenmacher der Lancaster Schule:

Isaac Haines
Geboren wurde Isaac im Jahr 1750. In den Steueraufzeichnungen von Lancaster County wird er ab 1772 als Büchsenmacher geführt, wo er bis in die 1790er Jahre arbeitete. Das Wissen um Isaac Haines ist vergleichsweise neu. In Joe Kindings Standardwerk "Thought on the Kentucky Rifle in its golden Age" aus den 1960er Jahren ist Isaac Haines noch nicht erwähnt, signierte Büchsen aus seiner Hand wurden erst in den 1070er Jahren entdeckt. Heute ist man sicher, dass dieser Mann einer der bestimmenden Künstler der Lancaster County Schule war, der mit dem Wechsel zum "American Rococo" insbesondere den Stil der Schaftverschneidungen entscheidend geprägt hat. Mehrere signiserte Büchsen von Isaac Haines sind erhalten, einige unsignierte werden ihm aufgrund klar erkennbarer Fertigungsmethoden und stilistscher Elemente zugewiesen.

Jacob Dickert

Jacob Dickert zählt ohne Zweifel mit zu den bedeutendsten amerikanischen Büchsenmachern des 18. Jahrhunderts. Er wurde 1740 in Mainz in Deutschland geboren und kammit seinen Eltern im Alter von 8 Jahren nach Amerika. Er dürfte seine Büchsenmacher-Lehre mit 15 Jahren begonnen haben und mit 21 Jahren 1761 Geselle geworden sein. Seine frühen Arbeiten gleichen jenen von Andreas Albrecht, da Jacob Dickert darüberhinaus der Herrenhuter-Religionsgemeinschaft angehörte ist es wahrscheinlich, dass er zumindest zeitweilig in Christian Springs geschult wurde. Jacob Dickert beherrschte alle Aspekte des Büchsenmacher Handwerks wie nur wenige andere. In seiner Werkstatt entstanden Schäfte, Beschläge, Abzüge und auch Steinschlösser. Mehrere signierte Büchsen sind erhalten.

Valentine Fondersmith

Ludwig Wilhelm Fondersmith kam 1714 in Deutschland zur Welt. Der gelernte Weber wanderte nach Amerika aus und siedelte sich in Strasburg Townshil/Lancaster an. Seine Zwillingssöhnte Valentine und John wurden dort 1746 geboren. Beide erlernten das Büchsenmacher Handwerk, allerdings ist nicht bekannt bei welchem Meister sie in die Lehre gingen. Valentine Fondersmith kämpfte im Unabhängigkeitskrieg in der Milz, ab 1777 wird er in den Steuerlisten von Strasburg als Büchsenmacher und Farmer geführt. Von Valentine Fondersmith ist nach heutigem Wissenstand nur eine Longrifle erhalten, diese trägt seinen vollen Namen als Signatur. Der Schaft ist aus Walnuss-Holz gefertigt und zeigt Merkmale mehrerer Longrifle Schulen. Im Jahr 1806 übersiedelte Valentine Fondersmith nach Marietta, wo er bis zu seinem Tod 1820 als Farmer arbeitete.

Peter Gonter

Peter Gonter kam 1751 zur Welt und zählt zu jenen Büchsenmachern, die noch vor dem Unabhängigkeitskrieg in Lancaster Longrifles herstellten. Er war Mitglied er Herrenhuter-Religionsgemeinschaft, nicht zuletzt deshalb erhielt er seine Ausbildung in Christians Spring. Allerdings lernte er auch in Reading/Berks County bei Wolfgang Hachen, dessen Tochter Susannah er heiratete. Ähnlich Wolfgang Hachen war Peter Gonter Schaftarbeit ausgezeichnet, jedoch war er nur ein mäßig guter Graveur.

1773 eröffnete Peter Gonter in Lancaster Boro seine eigene Werkstatt, die er bis ins Jahr 1819 führte. Schon seine frühen Arbeiten zeigen aller wesentlichen Merkmale der Lancaster County Schule wie beispielsweise die vierteilige Patchbox mit Gänseblümchen-Motiv an der Frontplatte, ausgeprägte Schaft-Verschneidungen im Rococo-Stil. Einige signierte Büchsen mit Stecher-Abzug aus den 1870er Jahren sind erhalten.

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